Ärgerst Du Dich über diese Überschrift? Deine Krankheit ist so unangenehm, eine regelrechte Qual und dann schreibe ich hier etwas von „Krankheitsgewinn”? Krankheiten sind meist von nicht schön bis hin zu entsetzlich, chronisch oder lebensbedrohlich. Neben all den Nachteilen von Krankheiten, gibt es aber durchaus auch verschiedene Arten, wie Menschen von ihrer Krankheit profitieren können – und dies kann leider zulasten der Mitmenschen gehen. Heute geht es um den Sekundärer Krankheitsgewinn: Profitierst Du von Deiner Krankheit?
Primärer, sekundärer und tertiärer Krankheitsgewinn
Man unterscheidet den primären, sekundären und tertiären Krankheitsgewinn. Diese Konzepte gehen auf Sigmund Freud und seine Psychoanalyse zurück. Der primäre Krankheitsgewinn bezeichnet den direkten Nutzen aus einer Krankheit. Beispielsweise hat man mal frei, kann sich erholen und ausruhen. Körper und Seele bekommen den benötigten Raum zur Genesung. Durch eine Krankschreibung geht man auch möglichen Konflikten oder Entscheidungen aus dem Weg, man wird aus den Alltagspflichten entbunden und bekommt Mitgefühl. Manchmal werden Menschen gar unbewusst krank, um einen Konflikt oder eine Entscheidung zu vermeiden oder einer unangenehmen Situation aus dem Weg zu gehen.
Der tertiäre Krankheitsgewinn bezeichnet den Gewinn, den andere von der Krankheit haben, also beispielsweise das Personal im Gesundheitswesen, das davon lebt. Aber auch Angehörige, die in der Rolle der Pflegenden aufgehen oder gar finanziellen Nutzen von der Krankheit eines Familienangehörigen ziehen, haben Vorteile von der Krankheit. Sehr bekannt ist auch das sogenannte Helfersyndrom. Aber mir geht es heute darum, Dir den sekundären Krankheitsgewinn vorzustellen.
Sekundärer Krankheitsgewinn: verlockende Aufmerksamkeit
Der sekundäre Krankheitsgewinn bezeichnet die äußeren Vorteile, die jemand aus seiner Krankheit zieht. Äußere heißt hier, dass Dritte beteiligt sind. Wenn Du krank bist, bekommst Du vielleicht das Essen von Deinem Partner ans Bett gebracht. Deine Freunde schenken Dir besonders viel Aufmerksamkeit und Zuneigung. Deine Familie sorgt sich um Dich, entlastet Dich und zeigt sich fürsorglich. Verstehe mich jetzt bitte nicht falsch: hier geht es nicht darum, eine Krankheit vorzutäuschen, sondern man hat eben auch Vorteile davon, quasi als Nebeneffekt. Wichtig ist, wie man damit umgeht.
Im positiven Fall des sekundären Krankheitsgewinns werden Menschen aktiv und entwickeln sich durch ihre Krankheit weiter. Vielleicht lernen sie sich selber besser kennen. Oder sie nutzen ihre Krankheit gar, um etwas Neues zu schaffen oder ihr Leben langfristig umzugestalten, sodass sie gesünder und ausgewogener leben. Sie arbeiten also aktiv an ihrer Heilung, und haben dadurch einen Krankheitsgewinn.
Sekundärer Krankheitsgewinn und Manipulation der Umwelt
Aber es gibt auch ganz andere Entwicklungen, in welcher der sekundäre Krankheitsgewinn zu einem passiven Verhalten und einer Art dauerhafter „Opferrolle” führt: Die kranke Person muss immer von allen geschont und verwöhnt werden. Sie kann durch ihre Krankheit unliebsamen Aufgaben und Arbeiten ebenso entgehen, wie unangenehmen Situationen, Konflikten oder Entscheidungen. Dies kann schnell zu einer gefährlichen Dynamik werden, in der sich Symptome immer wieder dann zeigen, wenn man nach Aufmerksamkeit dürstet oder sich ein Konflikt anbahnt.
Der erkrankte Mensch nutzt sein Leiden dann für Zwecke, die nicht mit der Krankheit selber oder seiner Heilung zu tun haben. Du ahnst es schon: Dieser Krankheitsgewinn kann zu manipulativem Verhalten führen – und ist in der Regel unbewusst. Nach einer Weile wird das Umfeld darauf mit Ablehnung reagieren und sich missbraucht oder ausgenutzt fühlen, während der Kranke seine eigenen Motive oftmals nicht durchschaut. Manchmal wird gar das soziale Umfeld für das eigene Leid verantwortlich gemacht. Auch dies ist der erkrankten Person in der Regel nicht bewusst.
Verantwortung für sich und seine Krankheit übernehmen
Man profitiert ebenso von psychischen Erkrankungen wie von körperlichen Krankheiten, allerdings ist der Krankheitsgewinn in der Regel größer, je „anerkannter” eine Erkrankung ist – und körperliche Erkrankungen sind nach wie vor oft noch greifbarer und bekommen mehr Anerkennung, als psychische Erkrankungen. Wenn Du eine Krankheit hast – egal welcher Art – und Dir nicht helfen lässt, aber gleichzeitig alle Deine Mitmenschen permanent Rücksicht auf Dich nehmen müssen, dann wirst Du auf eine Art selber zum „Täter”. Du bist selber dafür zuständig, aktiv zu werden, Deine Erlebnisse aufzuarbeiten, an Deiner Gesundung mitzuwirken und Dich für Deine Heilung zu engagieren. Das können Dir Deine Mitmenschen nicht abnehmen.
Dein Partner, Deine Freunde und Deine Kinder, haben ebenso wie Du ein Anrecht darauf, mit Fürsorge und Aufmerksamkeit beschenkt zu werden, wie Du. Sie dürfen Dich fordern oder in Auseinandersetzung gehen. Krankheiten sollen keine Entschuldigung und kein Vorwand sein, unbequemen Situationen aus dem Weg zu gehen. Natürlich möchte man sich z. B. während eines Migräneanfalls nicht streiten. Aber es ist nur fair, das kritische Thema an einem anderen Tag von sich aus anzusprechen, wenn es einem wieder gut geht. Anstatt sich darüber zu freuen, dass man es vermeiden konnte. Denn Deine Umwelt möchte genauso gehört und gesehen werden, wie Du auch. Und alle verdienen sie es, geliebt zu werden!
Kennst Du solche Dynamiken von Dir oder anderen auch? Wie gehst Du mit den Vorteilen von Krankheiten um? Hast Du Dich schon mal dabei ertappt, eine Krankheit zur Erfüllung Deiner Bedürfnisse “auszunutzen”?
Deine Katharina
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