Suizid ist ein sehr schwieriges und schmerzhaftes Thema und auch ein Tabuthema. Aber es ist ein so wichtiges Thema! Jeder Mensch kann im Laufe seines Lebens an einen Punkt kommen, an dem Selbstmord als der einzige Ausweg erscheint. Und mehr als drei Viertel der Menschen sprechen diese Gedanken vorher in ihrem Umfeld an oder geben Hinweise darauf – werden aber oft nicht ernst genommen. Dabei könnten sie Unterstützung bekommen und einen anderen Weg für sich wählen. Zum Thema Suizid gibt es sehr viel Unwissenheit und noch mehr Fehlinformationen! Genau wie das Thema Erste Hilfe bei Unfällen sollte jeder Mensch ein paar Basics darüber erfahren – denn auch Du kannst mit diesem Thema konfrontiert werden. Sicher kennst Du Menschen, die sich das Leben genommen haben, Nachbarn, Freunde, Kollegen, Bekannte oder Familienmitglieder. Vielleicht hast Du gar selbst schon mal über Selbstmord nachgedacht. Also das Tabuthema Selbstmord: Suizid geht uns alle an!

Gefährliche Mythen über das Thema Suizid

Menschen, die ihrem Leben ein Ende setzen, durchlaufen vorher oftmals ähnliche Phasen. Diese Phasen zu kennen kann extrem hilfreich sein. Ein weiterer Punkt, den ich heute thematisieren möchte, ist das Sprechen über den Selbstmord. Denn hier gibt es vielfach Fehlannahmen, die tödlich sein können.

Vorab, versteh mich nicht falsch: Menschen haben ein Recht darauf, ihr eigenes Leben zu beenden und ich möchte niemandem seine Selbstbestimmung absprechen. Tatsächlich sind die meisten Suizide aber durchaus einer Krise oder einer akuten psychischen Erkrankung geschuldet, die mit Unterstützung überwunden werden kann. Der Suizid ist dann eben keine bewusste und rationale Entscheidung, sondern der Ausdruck von Isolation, Auswegs- und Hilflosigkeit, die in extremer Autoaggression mündet.

Das Thema Suizid ansprechen

Vielleicht machst Du Dir Sorgen über einen Menschen in Deinem Umfeld. Die Person scheint immer mehr in einer Krise zu versinken, sich abzuschotten und keinen Ausweg mehr zu sehen – und Du hast Angst davor, dass sie sich das Leben nehmen will. Du möchtest es aber nicht thematisieren, um die Person nicht auf „blöde Gedanken“ zu bringen. Keine Angst, Menschen kommen von alleine auf das Thema Suizid. Das Ansprechen wird auf keinen Fall dazu führen, dass die Person es in Erwägung ziehen wird, das ist ein Mythos. Im Gegenteil: Es schafft den Raum dafür, das Tabuthema anzusprechen. Es kann verhindern, dass die betroffene Person noch mehr in einer inneren Isolation versinkt.

Menschen, die durch Suizid sterben wollen, finden oft niemanden, mit dem sie über diese Gedanken sprechen können. Du kannst ein offenes Ohr bieten und gemeinsam mit der Person professionelle Hilfe suchen. Hab also bitte keine Hemmungen, Dein Gegenüber zu fragen, ob es über Selbstmord nachdenkt – das Ansprechen ist immer eine Hilfestellung.

Hinweise auf Suizidabsichten

Dann gibt es den nächsten gefährlichen Mythos, dass Menschen, die über Selbstmordabsichten reden, sich nicht selber töten werden. Das stimmt nicht. Mehr als drei Viertel aller Suizide wurden vorher durch Hinweise oder Hilfsappelle angekündigt. Dies können auch Kommentare sein, wie „Ich kann das nicht mehr ertragen“, „ich bin ganz allein“, „ohne mich, ginge es allen besser“ oder „niemand kann mir helfen“. Nimm so etwas immer ernst! Reagiere sofort, hör zu, biete Deine Hilfe an und such Dir und Euch Unterstützung! Die Telefonseelsorge ist beispielsweise rund um die Uhr unter den Telefonnummern 0800 – 111 0 111 und 0800 – 111 0 222 erreichbar. Für Kinder und Jugendliche gibt es die Nummer gegen Kummer unter der 0800 – 111 0 333. Weitere Infos über Hilfsangebote findest Du hier.

Suizid-Stadien nach Pöldinger

Walter Pöldinger, ein österreichischer Psychiater hat drei Stadien, die einem Suizid vorausgehen identifiziert [u.a. Pöldinger, W. (1968) Die Abschätzung der Suizidalität. Huber, Bern]: im ersten Stadium zieht sich die betroffene Person zurück und zeigt bereits verdeckte Hinweise für Suizid. Im zweiten Stadium besteht ein Ringen zwischen Selbstzerstörung und Selbsterhalt. Der Suizidversuch wird oft angekündigt, es gibt Hilferufe und Kontaktaufnahmen. In der dritten Phase wirken Betroffene oftmals gelöst und entlastet: hier steht der Entschluss für den Suizid schon fest. Diese trügerische Ruhe wird verständlicherweise oftmals fehlgedeutet als eine Besserung der Situation. Indirekte Warnhinweise können hier zum Beispiel das Erstellen eines Testaments sein oder das Verschenken von persönlichen Dingen.

Merkmale des präsuizidalen Sydroms

Der Psychiater Erwin Ringel hat drei Merkmale identifiziert, die einem Suizid vorausgehen können [u.a. Ringel, E. (1953): Der Selbstmord. Abschluss einer krankhaften Entwicklung. Maudrich, Wien/Düsseldorf]. Das eine Merkmal ist die Einengung: Man zieht sich immer mehr zurück und sieht immer weniger Handlungsoptionen, bis nur noch der Suizid als Option übrigbleibt. Die Einschränkung der Wahlmöglichkeiten kann im Betroffenen liegen, durch psychische Erkrankungen, wie Depressionen oder Kontaktstörungen, oder auch extreme und ausweglose Situationen wie Isolation, Einsamkeit, Arbeitslosigkeit, Krankheit oder Verluste bedingt sein. Als nächstes Merkmal spielt die Aggression eine große Rolle: sie ist gleichzeitig gestärkt und gehemmt und richtet sich zunächst gegen das soziale Umfeld und später gegen den Betroffenen selber, bis hin zur Selbsttötung. Das dritte Merkmal nach Ringel ist die Flucht in eine Phantasiewelt, in der Gedanken an den Tod und Suizid immer präsenter werden, bis die Suizidphantasien sich dem Betroffenen immer mehr aufdrängen. Bei den Stadien sowie den Merkmalen gibt es im inneren Strudel hin zum Suizid eine abnehmende Steuerungsfähigkeit durch die betroffene Person. Dies ist ein weiterer Grund, warum Suizide oftmals eben keine „bewussten“ Entscheidungen sind, sondern Ausdruck einer tödlichen Dynamik, bei der die Personen auf Hilfe von außen angewiesen ist.

Du machst Dir Sorgen, um jemanden in Deinem Umfeld? Die Stadt Wien hat eine stichwortartige Übersicht über mögliche Warnsignale für Suizidgedanken zusammengestellt.

Hier gibt es ausführliche Infos zum Thema und zu Hilfsangeboten.

Deine Katharina

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